Stellen Sie sich
folgende Situation vor: Sie haben einen Nachbarn mit einem großen Garten. Eines
Tages beschließt er, eine große Gartenparty zu veranstalten. Jeder wird
eingeladen und Werbung wird auf dem Lokalsender ausgestrahlt.
Und die Leute kommen,
immer mehr, solange, bis keiner mehr in den Garten hineinpasst. Jetzt klingelt
der Nachbar bei Ihnen und anderen Nachbarn mit der Bitte, einen Teil der Gäste
bei Ihnen aufzunehmen. Manche sind nicht begeistert von der Idee, doch der
Nachbar erinnert sie mit Nachdruck an ihre Pflicht zu Solidarität. Derweil
kommen noch immer mehr Gäste, sodass der Gastgeber die Polizei nötigt, die Straße
abzusperren, um den Zugang für weitere Gäste zu verhindern.
Eine ziemlich
unwahrscheinliche Geschichte? Genauer betrachtet ist sie es nicht. Man ersetze Garten durch Land und Straße durch Grenze.
Dann wird die Geschichte ganz real. Es ist genau das, was im Augenblick in
Deutschland abläuft.
Eine eigenartige
Geschichte ist es, die da abläuft. Der Gastgeber Deutschland hat, ohne sich mit
seinen Nachbarn, d.h. mit den andern EU Mitgliedsländern,
abzustimmen, die Werbetrommel ganz kräftig im Nahen Osten gerührt; in
Video-Botschaften hat Deutschland die Vorteile des Lebens in der „Bunten
Republik“ den Menschen um die Ohren gehauen, nicht nur den Flüchtlingen,
sondern jedem, der es hören wollte. Nicht mal mit den politischen
Verantwortlichen in den eigenen Ländern hat „Mutti“ das abgesprochen. Die
Menschen wurden eingeladen, ohne irgendwelche Formalitäten, in den
Schengen-Raum einzudringen. Ein einzelner Staat hat de facto die Erlaubnis
ausgestellt, die Dublin-Kriterien zu umgehen: die Illegalität wurde durch
Merkelsches Edikt sozusagen legalisiert.
Ungarn hielt sich an
EU-Recht und schloss seine Grenzen Richtung Deutschland, um, gemäß der Dubliner
Richtlinien, die Flüchtlinge zu registrieren. Doch die Flüchtlinge drängten
weiter ohne Registrierung, die sie daran gehindert hätte, das „gelobte“ Land zu
erreichen. Die Verurteilung aus Deutschland folgte auf dem Fuße. Paradoxerweise
wurde Österreich von den gleichen Deutschen kritisiert, als es seine Grenzen
Richtung Deutschland sperrangelweit öffnete, dabei aber geflissentlich übersah,
dass die deutschen Grenzen Richtung Schweden genauso offen standen. Das hat
wiederum Dänemark veranlasst, seine Südgrenzen Richtung Norden zu schließen,
was allerdings nicht das Wohlwollen Deutschlands gefunden hat.
Man wird den Verdacht
nicht abschütteln können, dass Deutschland versucht, das Ruder in Sachen
Flüchtlingspolitik fest in der Hand zu halten und dass alle anderen die
deutsche Melodie pfeifen müssten. Es scheint den deutschen Verantwortlichen
egal zu sein, dass, wenn sie alle Türen für Flüchtlinge weit aufreißen, sie damit
nicht nur beweisen, dass sie nicht mehr ganz dicht sind, sondern auch noch
bereit sind, alles aufzunehmen, was sich zur Aufnahme präsentiert. Viele von
denen, die das Aufenthaltsrecht einfordern, stehen ohne Papiere da oder legen
gefälschte syrische Pässe vor (ein holländischer Journalist konnte sich
innerhalb von 40 Stunden per Internet einen syrischen Pass mit dem Bild des holländischen
Premiers und seinem Wunschnamen ausstellen lassen). Schätzungsweise kommen 25%
von ihnen aus Nordafrika und erwarten sich als Kriegsflüchtlinge eine
bevorzugte Behandlung. Nach Dublin II sollte für sie eigentlich nur eine
bevorzugte Abschiebung angesagt sein. Aber was zählt in der augenblicklichen
Lage schon so ein Fetzen Papier, wenn es der eigenen gutmenschlichen Ideologie
entgegensteht. Und so sind, nach Aussagen von IS, derweil 4000 Dschihadisten
unbehelligt mit eingeschleust worden und lachen sich ins Fäustchen über die
blöden Kāfir (Ungläubigen). Da wird mit der ganzen Kraft des Geheimdienstes und
Hundertschaften von Grenzpolizisten das Einreisen von „Gotteskriegern“ auf den
großen Flughäfen verhindert, derweil diese unbemerkt über den Landweg einziehen
und sich problemlos der Registrierung entziehen.
Zu welchen
Denkphantasmen die aktuelle, unkontrollierbare Situation führen kann, zeigen
die Überlegungen im Zusammenhang mit der rezenten Sitzung der Innen- und
Außenminister der EU. Der luxemburgische Premier Bettel, hat eine „Neutralisierung“
der Ausgaben im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise angeregt. Damit könnte
man verhindern, dass die Maastricht-Kriterien überschritten werden. Tatkräftig
wurde er dabei unterstützt von seinem Vorgänger und aktuellen
EU-Kommissionspräsident Juncker, der sich bemühte, die anderen Ländervertreter
von dieser epochalen Idee zu überzeugen. Da wird Etikettenschwindel im Namen
der „political correctness“ betrieben. Wenn ich mehr Geld ausgebe wie ich
besitze, dann verschulde ich mich. Niemand von uns kann irgendeine Schuld „neutralisieren“,
auch wenn das Geld noch so edelmütig eingesetzt worden ist. Und wenn die
Flüchtlingskrise gelöst ist – wenn das je einmal der Fall sein wird – dann bleibt
eine große Schuld zurück. Diese Schuld muss beglichen werden, ob sie
neutralisiert ist oder nicht. Ob dann nicht Deutschland zu einem Griechenland
II geworden ist, das wird uns die Geschichte lehren.
Der Außenminister
Luxemburgs hat in diesen Tagen in einem Interview folgende Aussage getroffen: “Dublin ist nicht tot, wir dürfen Dublin
nicht über Bord werfen, bevor wir einen neuen Mechanismus haben. Wir dürfen
aber auch das Schengen-Abkommen nicht aufs Spiel setzen. Zeitlich begrenzte
Ausnahmen müssen unter bestimmten Bedingungen möglich sein, aber wir dürfen
nicht am Prinzip rütteln. Schengen stellt die größte Errungenschaft der Union
dar.” Sein Optimismus ist bewundernswert! “Dublin” wird ignoriert und “Schengen”
liegt im Koma und wird nur noch künstlich am Leben erhalten. Das föderale
Europa entpuppt sich als Luftnummer; wenn es darauf ankommt, schaut jedes Land
zuerst nach seinen Interessen. Es ist an der Zeit, dass unsere Europa-Politiker
und Politologen aufhören zu träumen und beginnen genießbare Brötchen zu backen.
Tragt die Verträge von Maastricht und Dublin zu Grabe! Europa kann nur dann als
Union bestehen, wenn Kriterien einstimmig festgelegt werden und Bedingungen für
Krisenfälle vorsehen (in den letzten Jahren hatten wir ja schon ausreichende
Fälle, um daraus zu lernen) sowie auch Austritte aus der Union regeln. Wenn
alle Staaten gleich behandelt werden und in dem Sinne gleiche Wichtigkeit
erlangen (Wichtigkeit soll nicht gemessen werden am Bruttosozialprodukt, Bevölkerungszahl,
Landesgröße usw.), dann hat Europa noch eine Chance.