Mittwoch, 14. Januar 2015

Pegida und kein Ende?


Schon seit Wochen tobt der Medienkampf in der Pegida-Berichterstattung. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein wichtiger Politiker – oder einer, der wichtig sein möchte – seine despektierliche Meinung über die Dresdener Protestbewegung über die Medien verbreitet. Aus „sicherer“ Entfernung (Luxemburg ist wohl nicht weiter von Dresden als Sylt oder Weil am Rhein, man hat aber den Vorteil, dass man manches mit weniger Unvoreingenommenheit betrachtet) stellt man sich aber mal die Frage, ob die politische Prominenz neben der Verarbeitung des Pegida-Problems noch Zeit zum Regieren findet.  
Nun denn, wenn man es als Problem betrachtet, muss man unumwunden eingestehen, dass es in all den Wochen nicht kleiner, sondern wesentlich größer geworden ist. An beiden „Fronten“ steigt die Zahl der Protestierenden. Seit Wochen vermisse ich besänftigende Töne, seit Wochen wird das Feuer immer neu mit frischem „Öl“ entfacht. Jüngste diesbezügliche Entgleisung ist der Entscheid der Darmstädter Linguisten, das Wort „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres zu küren. Damit hat man die Pegida-Leute zumindest linguistisch mit den Nationalsozialisten in einen Topf geschmissen. Demnächst wird wohl der Gebrauch gewisser Autobahnabschnitte automatisch mit nationalsozialistischer Einstellung verknüpft werden.

Dabei zeigt ganz rezent die Berichterstattung von der Kundgebung in Paris, dass die Bezeichnung „Lügenpresse“ für die meisten Mainstream-Medien berechtigt ist. Erst hat man uns glauben lassen, dass alle Regierungschefs mit der großen Masse der Demonstrierenden mitgezogen sind, um dann einige Tage später zu erfahren, dass diese Politiker, fern der großen Masse und gut behütet von Bodyguards, die zusätzlich als Statisten dienten, ein menschenleeres und abgesperrtes Straßenstück für einige Minuten als Bühne für ihre Schmierenkomödie benutzten. Ein Choreograph hat sicherlich dafür gesorgt, dass die Akteure ganz wirklichkeitstreu mal nach rechts, dann nach links in die nur ideell vorhandene Menschenmenge schauten. Wenn das alles nur aus Sicherheitsgründen geschah, dann darf man sich fragen, weshalb man nicht z.B. in Straßburg oder Brüssel ein Treffen der Häuptlinge veranstaltet hat. Nein, man wollte den Eindruck vermitteln, dass man gemeinsam mit dem französischen Volk trauert. Man hat die Menschen, die auf die Medien zur Information angewiesen sind, getäuscht. Heute nennt man das ein „Fake“. Für mich und viele andere ist es ganz schlicht eine Lüge. Ergo: Lügenpresse.
Was mir aber noch mehr Verständnisprobleme verschafft ist die Unfähigkeit der deutschen Regierung mit an ihrer Spitze Frau Merkel, mit diplomatischem Geschick die Gemüter zu besänftigen, die Vertreter der Unzufriedenen – denn das sind wohl die Pegida-Leute – mit wichtigen(!) Vertretern der Regierung an einen Tisch zu bekommen und dort mit kühlem Kopf und wohl ausgewogenen Worten  Verbesserungsvorschläge ausarbeitet. Ganz im Gegenteil: wer politisch heute oben stehen möchte, glaubt seine Befähigung dazu beweisen zu müssen, dass er die Protestierenden aus Dresden mit immer deftigeren und unflätigen Bezeichnungen adelt. Dass ein grüner Möchtegern-Kanzler in dem Zusammenhang Ausdrücke wie Mischpoke oder Nazi-Schwein gebraucht ist schier unannehmbar. Auf eine deutliche Rüge von oben – Parlament wie Partei – warte ich bis heute vergeblich.

In der Pegida-Frage hat die Kanzlerin versagt. Ihre bisherige Politik des Abtauchens bei Problemen hat hier genau das Gegenteil bewirkt: die Lösung rückt in immer weitere Ferne. Hätte Frau Merkel Ende November Anfang Dezember den Kontakt mit Pegida gesucht, könnten heute schon vernünftige Lösungsvorschläge auf dem Tisch liegen. Stattdessen hat die Kanzlerin gewartet bis zu ihrer Neujahrs-Ansprache, um entgegen der weltweiten Gepflogenheit nicht die Hände zur Versöhnung, zum Dialog, zum Miteinander zu reichen, sondern um den Keil noch tiefer in die Gesellschaft hineinzutreiben.
Vielleicht lässt die neueste Studie von Spon Frau Merkel aufhorchen: Pegida-Demonstrierende sind zum grossen Teil keine braunen Gesellen, sondern überdurchschnittlich gut verdienende Mittelständler, die mit der Politik (Ihr Métier, Frau Merkel!) nicht zufrieden sind. Es ist zu hoffen, dass die Kanzlerin jetzt den Dialog sucht. Zeit wird’s allemal!

Samstag, 3. Januar 2015

Offener Brief an Dompropst Norbert Feldhoff


Herr Feldhoff,

Sie haben angekündigt, dass Sie anlässlich der Pegida-Demonstration die Dombeleuchtung in Köln abschalten werden. Sie wollen es damit den Verantwortlichen der Semper-Oper in Dresden gleich tun. Diese Aussage hat mich als Christ äußerst verwirrt. Sie vergleichen ein Schauspielhaus mit einem Haus Gottes. In der Semper-Oper werden Schauspiele feilgeboten, in einer Kirche … aber das sollten Sie als Domprobst eigentlich besser wissen als ich.
Sie predigen Sonntag für Sonntag den, der sich als Licht der Welt bezeichnet, und am Montag schalten Sie das Licht aus!

Sie vertreten den, der sagte, er sei für die Sünder gekommen, und Sie lassen den Sünder im Dunkeln stehen!

Sie sind ein Nachfolger dessen, der die Sünder – Huren, Zöllner – in ihren Häusern aufsuchte, und Sie lassen die, die Sie als Sünder einordnen im Dunkeln vor der Tür stehen.
Sie haben versucht, sich politisch korrekt zu verhalten; aber das ist nicht die Botschaft, die Jesus gepredigt hat. Durch Ihre Aktion verurteilen Sie Menschen, mit denen Sie nicht einmal gesprochen haben.

Wenige Tage nachdem die Christen in aller Welt die Geburt des Friedensfürsten gefeiert haben treiben Sie den Keil zwischen den Menschen tiefer.
Sollte nicht gerade die Kirche die Rolle des Vermittlers bei solchen Auseinandersetzungen übernehmen? Sie haben meiner Ansicht nach eine große Chance verpasst. Statt den Pegida-Leuten das Licht auszuschalten, hätten Sie Ihre Tür öffnen sollen, zum Gespräch einladen und sich als Mittler zwischen den beiden Streitparteien anbieten. Hätten Sie die Montagsdemos mit etwas Interesse verfolgt, hätten Sie festgestellt, dass diese Menschen vor allem einen ehrlichen Ansprechpartner suchen, der Ihre Probleme ernst nimmt. Hätten nicht Sie als Geistlicher, der außerhalb der Politik stehen soll, diese Rolle glaubhaft übernehmen können?

Stellen Sie sich doch einfach einmal vor, Sie würden sich mit einem Problem nicht verstanden fühlen. Sie gehen im Gebet vor Gott … und der macht Ihnen das Licht aus! Gott sei es gedankt dass ER nicht so ist. Geben Sie sich einen Ruck und schalten Sie das Licht nicht aus, sondern öffnen Sie Ihre Tür und lassen Sie die Menschen im Gotteshaus zur Ruhe finden. Sie werden es nicht bereuen.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Kirsch
(dieser Brief wurde par e-mail an die Dompropstei und an Dompropst Feldhoff gesendet)